Zentrum Paul Klee Bern Gegründet von Maurice E. und Martha Müller sowie den Erben Paul Klee
Do 26.02.2009

Medienmitteilung Ausstellungseröffnung «Traum und Wirklichkeit. Zeitgenössische Kunst aus dem Nahen Osten»

Die zweite Orient-Ausstellung richtet das Augenmerk auf Kunst aus dem modernen, dem heutigen "Orient": Die multidisziplinär angelegte Ausstellung „Traum und Wirklichkeit. Zeitgenössische Kunst aus dem Nahen Osten“ lädt ein zu einer Reise durch die Gegenwart der islamischen und arabischen Welt zwischen der Türkei und Afghanistan, zwischen Ägypten und dem Libanon. Der Begriff „Naher Osten“ wird dabei offen verwendet, weniger politisch oder geografisch als religiös und kulturell. "Real Fiction“-Arbeiten im Spannungsbogen von dokumentarischem Filmmaterial werfen einen zeitgenössischen und zeitgemässen Blick auf das Gebiet, hoch ästhetisierte und fiktive Videos erweitern das Bild auf subjektive und poetische Weise.

Das Zentrum Paul Klee behandelt mit seinem thematischen Ausstellungszyklus den realen und imaginären Orient und zeigt die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Abend- und Morgenland in Kunstwerken vergangener Jahrhunderte. Die eingeladenen Künstler reflektieren den historischen abendländischen Orientalismus, wie er in den Ausstellungen „Auf der Suche nach dem Orient“ (7.2.-24.5.2009) und „Teppich der Erinnerung“ (30.5.-30.8.2009) im Erdgeschoss des Zentrum Paul Klee zur Darstellung kommt. Und sie gehen mit den Klischees und der Durchmischung der Stile und Sprachen im globalisierten Kunstbetrieb des einundzwanzigsten Jahrhunderts ebenso bewusst wie kritisch um. In dem Video „White Horse“ von Lida Abdul malt ein alter afghanischer Mann mit grobem Pinsel sein Pferd mit weisser Kalkfarbe an. Die Szene wirkt, als handle es sich um einen Volksbrauch. Der Greis jedoch, von seinem Neffen gefragt, was er mit der Malaktion bewecke, gibt lapidar zur Antwort, dass die Touristen nun mal lieber weisse Pferde hätten. So liest sich dieses Video wie eine Allegorie auf den Kunstbe-trieb aus dem Nahen und Mittleren Osten, der zwischen der reichen Tradition, Folklore, Kulturkritik und stilisti-scher Selbstbehauptung oszilliert.

Physisch stark präsente, installative Werke wie der Grundriss von Beirut als ein in Kautschuk gegossener riesiger Teppich von Marwan Rechmaoui vertiefen die emotionale und sinnliche Ausstrahlung der Ausstellung. Hörstati-onen des Berner Musikethnologen Thomas Burkhalter und dessen Organisation „Norient“ sowie Live-Musikperformances unterstreichen diese Sinnlichkeit.

Videoarbeiten von Hala Elkoussy und Hatice Güleryüz zeichnen teils dokumentarisch, teils subjektiv und poetisch Porträts der Städte Kairo und Istanbul. Das in Grüntönen gestrichene Mietshaus, das Ergin Cavusoglu in der Videoarbeit „Empire- After Andy Warhol“ vorführt, könnte auch in Bern stehen, wäre da nicht das kleine Minarett auf dem Dach, von dem beim Eindunkeln der Ruf des Muezzin ertönt. Im Auftrag des Zentrum Paul Klee schafft der von der documenta 12 bekannte türkische Künstler Halil Altindere das Werk mit dem Titel „Mirage“ und thematisiert  in dieser Synchronmontage das globale Gut Wasser mit Bildern aus der trockensten Region der Türkei im Südosten des Landes, das in Folge eines Dammbaues überflutet werden soll. Amal Kenawy setzt ihre bis zum Albtraum ausartenden Zeichnungen in dichte, beklemmende Trickfilme um, wie in der Arbeit „The purple artificial forest“. Arbeiten von Atlas Group aus dem Libanon führen fiktive historische Ereignisse so vor, dass sie als Tatsachen gelesen werden. Unter Kunst aus dem Nahen Osten verstehen sich in dieser Ausstellung auch Werke von Schweizer Kunstschaffenden wie San Keller, Chalet 5, Davide Cascio und Michael von Graffenried, die als artist-in-residence in Kairo waren.

Die in der Ausstellung selber gezeigte Filmauswahl aus verschiedenen Ländern vermittelt einen Einblick in die Vielfalt der Filmkulturen. Im von der trigon-film zusammengestellten filmischen Rahmenprogramm finden sich darüber hinaus Werke vom traditionellen Erzählkino über die Wüstenballaden hin zum Genrespiel und der Re-duktion der Moderne. Gesellschaftliche Fragen werden darin genauso behandelt wie existenzielle, Konflikte sind präsent wie die Suche nach dem Eigenen und den kulturellen Wurzeln.

Du-Heft 793 - Auf der Suche nach dem Orient: Ausgabe zu Paul Klees Orientreise und zur Kultur des arabisch-persischen Raums von heute in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Paul Klee.