Zentrum Paul Klee Bern Gegründet von Maurice E. und Martha Müller sowie den Erben Paul Klee
Ausstellungen 19.01.2016 – 08.01.2017

Paul Klee. Bewegte Bilder

Gehen und schreiten, tanzen und gleiten, die Bewegung des Wassers, die Schwungkräfte und schliesslich die Überwindung der Schwerkraft im Fliegen – 2016 thematisiert unsere Sammlungspräsentation die Bewegung in Paul Klees Schaffen, welche grundlegend für sein Verständnis von Natur und Kunst war.

Eine Reihe von Meisterwerken aus allen Schaffensphasen des Künstlers zeigt die unterschiedlichen Bewegungsformen.

Die Ausstellung wird von einer interdisziplinären Veranstaltungsreihe begleitet, die Bewegung in verschiedenster Art erlebbar macht. Denn Bewegung begegnet uns im alltäglichen Leben ganz selbstverständlich.

Die Ausstellung findet in drei Phasen statt (19/01—01/05/2016 | 03/05—28/08/2016 | 03/09—08/01/2017) mit jeweils wechselnden Schwerpunkten. Thematisiert werden beispielsweise Bewegungsprozesse in der Natur, die Dialektik zwischen gehemmter und freier, statischer und dynamischer Bewegung, die Entfaltung von Wirk- und Schwungkräften sowie die Bewegung der Elemente.

Tanz-Bewegungen 
Die Dynamik der Bewegung und des Ausdrucks im Tanz vermittelten Paul Klee wichtige bildnerische Impulse. Er verfolgte die Entwicklungen des zeitgenössischen Tanzes aufmerksam. Gleichzeitig setzte man sich am Bauhaus mit Bühne und Tanz auseinander. Die zentrale Figur bei der Gestaltung neuer abstrakter Formen des Tanzes war Oskar Schlemmer. Er definierte mit seinem «Triadischen Ballett» die Beziehung zwischen Figur und Raum neu. Zahlreiche Schauspieler und Tänzerinnen waren freundschaftlich mit dem Bauhaus verbunden. Die Tänzerin Gret Palucca war beispielsweise mit Wassily Kandinsky und Paul Klee befreundet. Sie war fasziniert von den Werken der Bauhaus-Künstler. Im Gegenzug blickten die Künstler gespannt auf ihre modernen, ausdrucksstarken Tanzaufführungen. Gret Palucca gehörte zu den Leitfiguren des neuen Tanzes der 1920er Jahre. Sie war zunächst Mitglied der Truppe der Tanzpionierin Mary Wigman und entwickelte in der Folge einen eigenen Tanzstil. Die Bewegungsmuster ihrer Tänze wiesen Parallelen zur abstrakten Kunst von Kandinsky, Mondrian und Klee auf.

Die Last der Dinge 
«Eine völlige Unterwerfung unter das Gebot des Lots bedeutet den Zustand der Lage. Man liegt und gibt jede Gegenwirkung auf. Man setzt sich auf der ganzen Breite dem Lot aus.» 
Paul Klee, Bildnerische Gestaltungslehre, Mechanik, BG II 21/13

Wie alle Lebewesen und alle Materie auf der Erde ist der Mensch dem Gesetz der Schwerkraft unterworfen – dem «Lot», wie Klee es nannte. Die Schwerkraft hemmt die Bewegung oder bringt sie gar zum Stillstand. Der Mensch verharrt im «Schicksal der Gebundenheit». Die Folge ist eine Ruheposition, die Klee als «Lage» bezeichnete. Stillstand war für Klee nur ein Sonderfall, denn für ihn galt: «Der gewöhnliche Zustand der Dinge im Weltraum ist also: der Zustand der Bewegung.» Klee bezog sich in seinen Auslegungen auf Goethes Metamorphosenlehre, in der die Natur als ewig veränderlich und bewegt dargestellt wird, ohne je zum Stillstand zu kommen. In Klees Werken tauchen Themen wie Schwere, Last und Gravitation auf, ausgedrückt durch bestimmte Motive, aber auch durch formale Bildelemente wie Farben oder Flächen.

Gehen, Schreiten, Laufen, Springen 
«Der Körper kann brav nach der Regel durch: ‹Dahin kriechen› oder ‹Dahin schreiten› seinen Ort verändern, wobei er das Lot fortlaufend berücksichtigt, es stets mit in die Bewegung nehmend. (…) In besonders beschleunigten Bewegungsarten wird von der statischen Regel auf wiederholte kurze Momente abgewichen. während dieser Momente berührt kein Fuss den Boden: Man springt.» 
Paul Klee, Bildnerische Gestaltungslehre, Mechanik, BG II.21/77

Für Klee sind Gehen, Rennen und Springen als Bewegungsakte an die Schwerkraft gebunden und überwinden diese zugleich. Bei jedem Schritt und jedem Sprung setzt sich der Mensch mit seiner Muskelkraft der Gravitation entgegen. Beim Aufsetzen des Fusses ist er wiederum an die Schwerkraft gebunden. In Klees Werken wird promeniert, man eilt und geht vorüber, läuft nach, stolziert und selbst Einbäume spazieren über Land. Mit dem Schreiten verband Klee Themen wie Gleichgewicht und Rhythmus. 

Grenzen der Bewegung 
Die Energie der ungehemmten, freien Bewegung stösst im irdischen Bereich an Grenzen. Sie trifft auf Hindernisse, die Bewegungsvorgänge einschränken und sie in neue Bahnen leiten. Schranken dieser Art sind Schwellen und Dämme im Wasser ebenso wie die Macht der Schwerkraft, die den Aufstieg nach oben bricht. Der begrenzten und gehemmten Bewegung des Körpers setzte Klee die freie Geistigkeit und gedankliche Unabhängigkeit entgegen.

Im «Zwischenreich»: Wasser-Bewegungen 
«Dies Schicksal der Gebundenheit soll uns aber nicht davon abhalten zu wissen, (…) dass es Regionen gibt, wo andere Gesetze gelten. (…) Das Zwischenreich der Athmosphäre oder seines schwereren Geschwisters des Wassers möge uns vermittelnd die Hand reichen, um später in den grossen Weltenraum zu gelangen. lm Wasser, das kann jeder Schwimmer wahrnehmen, wirkt einmal durch das neue Element und sein neues Gewicht die durch die Erdanziehung bestimmte Schwerkraft in umgekehrter Richtung, nämlich nach oben.» 
Paul Klee, Bildnerische Formlehre, BF 64

Klee nannte das Wasser ein «Zwischenreich». In diesem Reich ist die Schwerkraft durch die Gegenkraft des Auftriebs neutralisiert und es werden Bewegungen in freier, fliessender Form möglich. Alles Feste gerät in Fluss. Ohne Hemmnisse bewegt sich der Fisch in seinem Element, und auch der Mensch überwindet schwimmend und tauchend die Schwerkraft. 

Bewegung der freien Linie 
Bewegung war ein Grundprinzip in Klees Denken, ebenso in seinen Überlegungen zur Gestaltung und in seinem künstlerischen Schaffen. Gestalten beginnt beispielsweise in dem Moment, in dem ein Punkt in Bewegung versetzt wird. Dadurch entsteht eine Linie, die schliesslich Formen bilden kann. In ihrer ungebundenen Entfaltung entwickelt sich die Bewegung als freie Linie – «in einem Spaziergang um seiner selbst Willen».

Farb-Bewegungen 
Klee untersuchte die Beziehungen der Farben in seinem Unterricht am Bauhaus. Er bezog sich vorwiegend auf die Farbtheorien von Goethe oder Philipp Otto Runge und deren Farbkreise oder Farbkugeln. Viele theoretische Ansätze verfolgte er auch als Maler weiter. Hier gestaltete er frei und interessierte sich für die Mischung und die feine Abstufung von Farben sowie ihre Anwendung in verschiedenen Techniken. Durch die präzise Kombination farbiger Flächen erzeugte Klee dynamische Kompositionen. Zu Beginn der 1930er Jahre prüfte er etwa die Wirkung des Auftrags farbiger Tupfen und erreichte einen vibrierenden, bewegten Ausdruck.

Ludwig Hirschfeld-Mack 
Ludwig Hirschfeld-Mack ist vor allem durch seine Farbenlichtspiele international bekannt. Ab 1920 war Hirschfeld- Mack am Bauhaus tätig. Er beschäftigte sich mit Farbenlichtspielen, die zwischen Malerei und abstraktem Avantgardefilm anzusiedeln sind. Hirschfeld-Mack experimentierte dafür mit Licht, Projektionen und Schablonen und setzte sich auch mit den Mitteln des Films auseinander. Die Lichtquellen vervielfachte er und färbte sie mit Filtern bunt ein. Mithilfe von Schablonen gerieten die farbigen Lichter schliesslich in Bewegung.

FILME IN DER AUSSTELLUNG
19/01—28/08/16 
DAS TRIADISCHE BALLETT 
Ein Film in drei Teilen nach den Tänzen von Oskar Schlemmer 
OSKAR SCHLEMMER UND DIE BAUHAUSBÜHNE 
Metalltanz, Raumtanz, Reifentanz, Kulissentanz, Maskenchor 
KREUZSPIEL 
Ludwig Hirschfeld-Mack 
REFLEKTORISCHE FARBLICHTSPIELE 
Kurt Schwerdtfeger 
In Zusammenarbeit mit der Stiftung Bauhaus Dessau

03/05/16—08/01/17 
EQUILIBRIST – AFTER KLEE 
by Daniel Belton and Good Company Arts, New Zealand (2016)

03/09/16—08/01/17 
DAS TRIADISCHE BALLETT (V2) 
Ein Film in drei Teilen nach den Tänzen von Oskar Schlemmer 
In Zusammenarbeit mit der Stiftung Bauhaus Dessau